Vayikra – Die
Brücke in die Unendlichkeit
Und schon ist
wieder ein Buch fertig geworden. Im Buch Schemois haben wir die Galut erlebt
und überwunden, und zum triumphalen Ende finden wir den Mischkan, das Zelt der
Heiligen Zusammenkunft, würdig der Schechinah.
Letzte Woche beleuchteten wir diesen sehr wichtigen und tragisch-frohen
Moment. Tragisch, da gemäss einigen Meinungen der Mischkan eine Notlösung ist,
die durch die schreckliche Übertretung beim Goldenen Kalb notwendig wurde.
Allerdings ist da
Ramba“n nicht einverstanden, er sieht den Mischkan als gänzlich vorgeplanten
triumphalen Höhepunkt des Auszugs aus Ägypten.
Und nun kommt
also das Buch Vayikra. Dieses ganze Buch ist dem Tempeldienst und den mit ihm
in Verbindung stehenden Gesetzen gewidmet. Es heisst deshalb auch Toiras Ha
Koihanim. Und da der Tempel das mobile
Äquivalent zum Berg Sinai ist, in dem die Schechinah permanent präsent ist, ist
er auch das weitaus weitläufigste Thema im gesamten Chumasch.
Das halbe Buch
Schemois, und ganz Vayikra, sind ihm gewidmet. Es gibt kein anderes Thema, das
so viel Platz einnimmt in der heiligen Toire.
Da in diesem Buch
dauernd von Korban die Rede ist, tun wir gut daran, uns klar zu werden was
Korban eigentlich heisst.
קרבן kommt von der Wurzel קרב, was „annähern, nahe kommen, Nachbarschaft, Nähe“ bedeutet.
Schwächen wir das Kuf ab, entsteht חרב, zerstören, schleifen, dem Erdboden gleichmachen.
Ein Korban ist also etwas, das wir benötigen um uns dem Heiligen, gelobt
sei Er und gelobt Sein Name, anzunähern. Und dazu verbrennen wir mindestens
Teile dieses Etwas auf einem Altar, also einer speziellen Vorrichtung, die nur
dafür gemacht ist, eben solche Annäherung mittels einer verbrannten,
vernichteten Gabe zu bewirken.
Und wohl daher, dass eben die Korbanois mindestens teilweise verbrannt
werden, stammt dann die irrige Vorstellung, man bringe da ein Opfer, also man
werde Etwas verlustig, wenn man sich HKBH annähert, G!tt behüte.
Welch schreckliche Vorstellung, welch monumentaler Irrtum!
Der Heilige Mahara“l bringt uns die Wunder der Möglichkeit, sich G!tt
überhaupt irgendwie bemerkbar zu machen, in Gvurois HaShem etwas näher.
Man stelle sich folgendes vor:
Ein Endliches, sterbliches Wesen von kleiner Ausdehnung in gerade mal 5
oder 6 Dimensionen (links, rechts, oben, zeit, gefühl, wesenheit) steht einem
unendlichen, unsterblichen, ewig lebenden Wesen von unendlicher Ausdehnung in
unendlich viele Dimensionen gegenüber.
Wie kann das endliche Wesen sich überhaupt mit dem unendlichen verbinden,
wie kann es sich überhaupt bemerkbar machen?
Richtig: Garnicht.
Denn das endliche Wesen, durch seine Endlichkeit beschränkt, ist gegenüber
der Unendlichkeit inexistent.
Und das ist für uns ein sehr, sehr grosses Problem. Ein unendlich grosses
Problem, eigentlich.
Und daher hat der Heilige, gelobt sei Er und gelobt sein Name, uns eine
Brücke gebaut.
Eine Brücke aus unserer Beschränktheit in die Unendlichkeit.
Diese Brücke heisst Torah und Mitzvot. Da zitiert der Mahara“l auch den
Rambam. Und sie enthält spezielle
Instruktionen, wie wir Jiden uns zu verhalten haben, damit dieser Kontakt zum
Unendlichen, unendlich gütigen HKBH zustandekommt und intakt bleibt.
Es sind hier der Schabbat und alle Chagim, Mo´ed genannt, zu erwähnen, als
Teil derer eben immer auch Korbonois vorkommen.
Die Korbonois selbst sind hoch symbolische Akte, über die ich hoffentlich
im Verlaufe des Monats noch schreiben kann. Es gibt nicht grundlos Chachomim,
die ein ganzes Leben nur auf das Studium dieser Aspekte der Toire verwenden.
Daher in Bescheidenheit einige kleine Anmerkungen:
Es gibt mehrere Klassen von Korban. Es gibt solche von Blut, Fleisch, Fett.
Und es gibt solche von rein pflanzlicher Natur.
Die allermeisten werden nur zum kleinen Teil auf dem Altar verbrannt, und
zum grossen Teil gegessen.
Und daher auch mein eingangs erhobener Klagelaut: Nein, es sind KEINE
Opfer. Denn wir essen auch davon.
Ganz eigentlich ist es sogar so, dass zur Zeit des Mishkan in der Wüste
jedes Schlachten ohne Korban verboten war!
Ursprünglich musste also das Blut, gewisse Organe und Fette jedes
gegessenen Tiers auf den Altar kommen!
Und: Das Blut wird nie verbrannt, sondern an verschiedene Stellen des
Altars gespritzt und gegossen, wo nie auch nur ein Hauch von Feuer hinkommt.
Verbrannt werden Körperteile, Organe oder ganze Tiere, sowie Gewürze,
Mehlspeisen, Öl.
Man sieht daraus, wie vielschichtig und kompliziert diese Korbonois vor
sich gehen.
Was mir auffällt, ist folgendes:
Der menschliche Körper verwendet verschiedene Inhaltsstoffe der Nahrung
sehr unterschiedlich, Ein Teil wird zur Energiegewinnung buchstäblich verbrannt
(allerdings sehr kontrolliert, so dass eben kein Feuer entsteht, aber durchaus
Wärme). Ein weiterer Teil wird für den Betrieb des Stoffwechsels, also
sozusagen als Betriebsmittel, Transportmittel und Informationsvermittler
verwendet. Und ein Teil dient als Bausteine für den Körper, also Zellwände,
Muskeln, Knochen, Zähne, Nägel.
Betrachten wir nun die Korbanois, die teilweise auf den Altar kommen, und
teilweise verspeist werden, können wir Parallelen suchen und erkennen: Ein Teil
der Organe, Mehl, Öl und Fette, sowie Gewürze, verbrennt auf dem Altar. Ein
Teil aber kommt an den Altar und verändert sich zwar dort, aber eben nicht zur
Verbrennung. Und ein Teil der Flüssigkeiten (Blut, Wein, Wasser) wird an den
Fuss des Altars gegossen und „verschwindet“ in dessen Fundament. Es gibt also
auch da unterschiedliche Funktionen, die wohl nur eine Handvoll Chachomim
wirklich verstehen.
Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist der ריח הניחוח, der angenehme Wohlgeruch, den HKBH als vom Korban aufsteigend
beschreibt. Der Malbi`m hat bei Noach, Bereschis 4, 21, als Noach das erste
Korban nach dem Mobul macht, einen längeren kabbalistischen Kommentar zu diesem
Phänomen.
In Kürze sagt er, dass die vergeistigten Teile des Korban-Tiers und die
Absichten, die der Ausführende beim Korban hat, bewirken dass es angenommen
wird, als ob der Mensch sich selbst auf dem Altar dargebracht hätte.
Es geht also um eine sehr hochgradige Hingabe des Menschen, der seine durch
die Physis bedingten bösen Triebe dem Heiligen, Gelobt sei Er und gelobt sein
Name, zu Diensten macht. Hat er diese Absicht in dem Zeitraum, in dem er das
Korban darbringt, bewirkt dies eine Sühne, und wohl auch eine Kräftigung seines
Guten Triebs, und eine wirkliche Zügelung und Kanalisation des Bösen Triebs
dahingehend, dass er nun den Heiligen Zwecken des menschlichen Daseins dienlich
wird und ist.
Ein weiterer Aspekt ist das Essen von Teilen vieler Korbanois. Speziell
beschäftigt mich das Chatas, das Sühnopfer. Ein sehr grosser Teil dessen muss
von den Koihanim gegessen werden. Und das ist parallel zum Schlomim, dem
freiwilligen, freudigen Dankopfer! Beide sind dem Eibischten heilig!
Es blinkt hier wieder auf was in Maseches Avoido Soro gebracht wird, und an
einigen anderen Stellen: Der Heilige, Allgütige, gelobt sei Er, will nicht die
Vernichtung des Bösewichts, er will seine Einkehr, Umkehr zum Guten! Und diese
Umkehr ist ihm genau so lieb und wichtig wie der Dank der Zadikim.
Was ebenfalls wichtig erscheint dabei ist eben die Tatsache, dass die
heiligen Koihanim das Korban verspeisen. Womit wir wieder bei dem ganzen
Komplex des Essens wären, den ich in „le Chaim – Zum Leben“ und in „Eine
Mahlzeit mit G!tt“ näher beleuchte.
In Kürze:
Alles was wir essen geht ins Blut, dann durchs Herz, und dann in den
restlichen Körper. Blut = Nefesch, der im Körper verankerte Teil der Neschama,
die insgesamt 5 Teile hat, nur einer davon in dieser Welt befindlich.
Heisst, auf das Korban bezogen: Alle dem Korban zugrundeliegenden Absichten
und Gebotenen Geisteshaltungen, alle Übertretungs-Sühne, Freude, Reue, und so
weiter gehen mit dem gegessenen Korban ins Blut, und damit in die Neschome, des
sie essenden Koihen. Dieser, mittels seiner Heiligkeit, seiner Mitzvot, Tfilles
und Lernen, transformiert alles in eine den Absichten des Eibischten genehme
geistige Handlung, die wiederum auf die das Korban anbietenden und auf ganz Am
Yisroel zurückstrahlt, und so die physische Welt lenkt.
Und nun verstehen wir vielleicht ein klitzekleines Bisschen besser, warum
wir Tag und Nacht dem Heiligen Tempel nachweinen sollen, und den Himmel
bestürmen, uns endlich den 3., den Ewigen Tempel zu bauen!
Seit der Tempel geschleift wurde, haben wir keine Möglichkeit mehr, diese
Art der Weltenlenkung zu bewirken, und die Welt ist sehr viel dunkler geworden.
Obwohl wir jeden Tag am Morgen sagen ונשלמה פרים שפתינו und unsere Lippen
sollen sein wie die Bezahlung durch Stiere – heisst unsere Gebete sollen sein
anstelle der Korbanois. Es scheint so, dass das eben doch nicht das Gleiche
ist.
Wünschen wir uns,
dass Kraft unseres Lernens, der Tfilles und Mitzves der Maschiach komme und den
3. Tempel baue, schnell und in unseren Tagen.
Gut Schabbes.
No comments:
Post a Comment